Die Show ohne Harald Schmidt: Anke Late Night

Nach dem Rückzug Harald Schmidts aus dem Fernsehen im Jahr 2003 wurde eine Nachfolge für das Late Night Format auf Sat.1 gesucht. Zum 17. Mai 2004 trat Comedian Anke Engelke diese an. Ihre Sendung „Anke Late Night“ war eine Mischung aus vermeintlich erfolgreichen Elementen der Harald Schmidt Show und Anke Engelkes Comedy-Reihe „Lady Kracher“. Sie erlebte gerade einmal 68 Folgen und wurde bereits im 21. Oktober des gleichen Jahres wieder abgesetzt. Grund waren die massiv schlechten Kritiken und die damit einhergehenden niedrigen Einschaltquoten.

Besondere Aufmerksamkeit erzeugte eine Wette von Rudi Carell und Oli Dittrich vor der Premiere. Carell wettete 10.000 Euro auf den Misserfolg Anke Engelkes als Late Show Moderatorin. Sat.1-Chef Roger Schawinski ging medienwirksam darauf ein und wettete 20.000 Euro dagegen. Carell zog daraufhin die Wette zurück, behielt mit seiner Einschätzung aber recht. Weder konnte Engelke an das Moderatoren-Format ihres Vorgängers Schmidt anknüpfen, noch gelang es, den Verlust der Schmidtschen Showfamilie wett zu machen. Bandleader der Sendung war Engelkes damaliger Lebensgefährte und späterer Ehemann Claus Fischer.

Den folgenden Kommentar, den ich zur ersten Sendung Anke Late Night vom 17. Mai 2004 schrieb, veröffentlichte die Berliner Morgenpost am darauffolgenden Tag in Auszügen als Leserstimme. Im Übrigen klappte auch Harald Schmidts erste Show am 5.12.1995 nicht fehlerfrei. Anders als im Fall Engelke hielt der Sender jedoch über Jahre hinweg zu ihm.

Albtraum Late Night

Ich habe geträumt, es gäbe eine neue Show im deutschen Fernsehen. In jeder Sendung moderiert ein anderer Prominenter und zu Gast ist immer Bastian Pastewka.

Das Dilemma mit den Gästen

Zunächst die schlechte Nachricht: Das war gar kein Traum. Alleine an diesem Montag konnte man den Bochumer Komödianten in drei Sendungen betrachten. „Charlotte Roche trifft“ „Viva interaktiv“ und „Anke Late Night“. Sollte ich eine übersehen haben, tut es mir nicht Leid.  Richtig aufregend war es dann auch nicht, als Pastewka bei Engelke auf dem Sofa saß und plauderte und schwachsinnige Spiele spielte.

Dem Publikum fehlte der Zugang. Es kam sich vor wie in einer Wiederholung der Wochenshow und erfuhr am eigenen Leibe, wie sich Stargast Sting fühlen musste, der – obwohl einziger großer Star in der Show – flüchtig dazwischen geschoben wurde und aufgrund der Sprachbarriere auch nicht mehr verstand als der ratlose Zuschauer am Fernsehschirm. Kein Wunder also, dass er mehr als gelangweilt phrasenhaft antwortete.

Rudi Carell hätte zu diesem Zeitpunkt Roger Schawinski anrufen sollen und seinen Wetteinsatz erhöhen. Wohnwagen und die sieben Köpfe gegen Sat. 1 an Stelle von fünfstelligen Eurobeträgen. Das Schauspiel erinnerte stark daran, wie Engelke, Pastewka und Olli Dittrich damals sichtlich gelangweilt Harald Schmidts Rheinfahrt auf der MS Loreley kaputt nervten. Das Gedränge auf dem Sofa komplettierten die Grand-Prix-„Naja, Acht ist doch ganz okay“-Platzierten aus der Konkurrenz-Late-Night-Show vom Schwestersender Prosieben, die wieder einmal ihren Grand-Prix-Hit auf Türkisch sangen, was auch nichts Neues mehr war.

Zu viele Gäste in zu wenig Sendezeit, die alle nur gemeinsam hatten, dass sie nicht zueinander passten. Sollte Sting demnächst alkoholisiert in einem Hotelzimmer aufgefunden werden, wer könnte es ihm verübeln? Dennoch waren die Gäste einer der Höhepunkte der Show, denn sie trugen nicht nur die letzten Minuten sondern nahmen Frau Engelke das Geschehen komplett aus der Hand und sorgten endlich für Stimmung. Das Desaster begann viel früher, mit dem Stand-up-Part nämlich.

Die „Harald Schmidt Show“ ohne Harald Schmidt

Anke Engelke war sichtlich unbeholfen und zunehmend verzweifelt, als so absolut keine der Pointen zu Lachern führte. Das Prekäre an der Situation: Einige der Sprüche wären bei Schmidt gut gewesen, aber Engelke war den Pointen einfach nicht gewachsen. Später verschüttete sie dann absichtlich Wasser und fand das lustig. Von dieser Humorlosigkeit Roger Schawinskis und des neuen Sat.1 geprägt war auch der Rest der Show. Immer wieder führte Engelke den schlechtpointierten Geschlechterkampf aus ihren Klüngelcomedys weiter und auch von selbstinszenierenden Sketchen blieb der inzwischen nicht mehr geneigte Zuschauer nicht verschont.

Engelke spielt nervige Frauen und nervte damit selbst. Einzige Lichtblicke: Die Parodien von Kultstar Nena und Dschungelfrau Lisa Fitz sowie die Verbeugung vor dem Schmidtschen Intellekt beim Thema „dumme Jungs“. Passend zum Thema hatte auch noch Udo Lindenberg Geburtstag und Anke versuchte sich an einem Steckenpferd Schmidts, den Prominenten-Pappschildern. Mäßig komisch und wenig individuell!

Jedem war klar, der Jauchsche Wasserbringer bei Endspieler Schmidt war eine größere Verneigung als der versnobte selbstironische Sketchauftritt des ansonsten per se großartigen Roger Willemsens. Gut, dass wir verglichen haben. Doch halt! Wir wollten ja gar nicht vergleichen. Nicht mit ihm jedenfalls, nicht mit Harald Schmidt. Also muss der Vergleich Anke mit Anke her. Obwohl Frau Engelke wirkte wie bei ihrem ersten Kinderauftritt im ZDF, der ihr alle paar Wochen auf Pro7 wiederholt peinlich ist, war sie die selbe wie immer. Sie verstellte ihre Stimme, wenn sie nicht mehr weiter wusste oder Mitleid wollte. Nein danke, Anke! Auch angefangene englische Sätze im Deutschen zu beenden ist schon lange nicht mehr angesagt und immer nur Klischeefrauen zu spielen ist irgendwann zu viel.

Keine eigenständigen Ideen

Zu viel schien es auch Sting zu sein, als Anke im Einspieler auf die Straße ging und mit Passanten alte Songs des Stars quietschte. Das war sehr tapfer, wirkte aber vollkommen deplatziert. Schmidt hatte für so etwas immerhin seine Showfamilie. Showfamilie von Engelke ist bisher nur die Electric Ladyband und Bandleader und Lebensgefährte Claus Fischer. Die Musik der Showband war dann auch das Beste und Genießenswerteste am Abend. Die Liebesbeziehung zu ihrem Bassisten hat einige Parallelen zu ihrer Talk-Show-Satire „Anke – die Talkshow“ und gibt Anlass, in Sorge um die Late Night Show zu sein. Auch scheint die Band kaum eigenständig, ist doch Engelkes Lebensgefährte Claus als Sidekick in bereits genannter Late Night Show auf Prosieben bekannt geworden und der Name „Ladyband“ zu eng verwandt mit Ankes im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen „Blind Date“ sehr schlechter Sketchshow „Ladykracher“. Sat. 1 ist das egal.

Mangelnde Kritikfähigkeit

Nachrichtensendung „Die Nacht“ befragte anschließend eingefleischte Engelke-Fans (!), wie sie denn Engelkes (!) erste Show fanden. „Super natürlich“. Wieder wird die Frage laut, die wir uns schon während der ARD-Übertragung des Grandprix Eurovision de la Chanson aus Istanbul stellten: „Haben die eine andere Show gesehen? Hatten die keinen Ton bei der Übertragung?“.

Eine andere Show haben scheinbar auch einige Journalisten gesehen, denn in diverser Presse konnte man Ankes Rohrkrepierer nachlesen, die man in der Fernsehversion der Show nicht zu Gehör bekam. Möglicherweise hielt der eine oder andere die Generalprobe für die Show oder hatte danach keine Lust mehr auf die Premiere. Die Sat.1-Klatsch-TV-Weiber befanden, Anke stünde den Männern in nichts nach. Vom Wortlaut her, haben sie recht, denn Anke moderierte genauso wie ein gewöhnlicher Mann, der nichts von Late Night Comedy versteht.

Zwei Drittel der T-Online-Nutzer folgten einer Umfrage zufolge dieser Ansicht und fanden die Show unzureichend. Zu viele hatten eingeschaltet, hatten sich wohl daran laben wollen und im übrigen auch können, wie Anke versagt. Hätte man doch besser Herrn Kerkeling oder Frau Roche gefragt. Selbst die Show von Engelkes Ex-Lover Benjamin von Stuckrad-Barre war besser. Stuckrad-Barre hat übrigens dazugelernt. Nach mäßigem Buchdebüt hat er sich auf das konzentriert, was ihm liegt und einfach seine gesammelten journalistischen Werke veröffentlicht. Prompt wurde er immer besser. Anke hingegen wird seit der Wochenshow immer schlechter.

„Krankenakte Danke Anke“ heißt ein Kapitel in Stuckrad-Barres „Blackbox“. Hoffen wir, dass sie sich bald darauf konzentriert, was sie besser kann als moderieren. Sie könne sehr gut putzen, sagte Anke in der Show, nachdem sie das Wasser verschüttet hatte. Gerne Frau Engelke, Sie können Montag anfangen! Frau Engelke putzt vorerst jedoch montags bis donnerstags um Viertel nach Elf auf Sat 1.

Ach ja, das war erst mal nur die schlechte Nachricht. Hier kommt die gute: Außerdem habe ich noch geträumt, dass Anke im nächsten Jahr das Fernsehen aufgegeben hat und mit ihrer Band „Fred Kellner und die famosen Soul Sisters“ und einer verlumpten ungarischen Tanztruppe den Grand Prix aus Kiew nach Deutschland holt. Herr Carell, ich fordere sie heraus, mit Wetteinsatz dagegen zu halten!